4 Tage Trailreiten in Chile, Südamerika

Aus dem Reisetagebuch von Stefan Krumholz , der 2010 zum 2. Mal einen mehrtägigen Trailritt mit uns unternommen hat.
Alle Bilder und deren Auswahl sind von Stefan

Einmal mehr überqueren wir die Anden, eigentlich schon Standardprozedur, speziell an der Grenze zwischen Argentinien und Chile. Aber einmal mehr werden wir überrascht. Es wird diesmal genau kontrolliert, es dürfen keine Lebensmittel eingeführt werden, so wird unsere gesamte Buseinrichtung durchsucht. Sogar die Gleitschirme werden durch einen Scanner geschickt. Wir hatten schon befürchtet man wird uns den gesamten Nahrungsmittelvorrat abnehmen, aber der freundliche Grenzbeamte hat sich mit dem Rest unserer Frühstückseier als Beute zufrieden gegeben. Die Prozedur dauer recht lange, so erreichen wir unser Ziel Pucon nicht mehr und müssen auf halber Strecke nächtigen. Trailride Chile In Pucon angekommen suchen wir zunächst nach Mathias Boss, den Betreiber einer Pferdefarm , der Reittouren anbietet . Mathias kennen wir schon aus unserer ersten Chile Reise 2007. Er bzw. seine Reittouren sind Ursache dafür, dass wir reiten gelernt haben. So ist es quasi unsere Pflicht, ihn zu besuchen. Ich hatte schon vorab bei ihm angefragt, ob er zufällig eine passende Reittour für uns hätte, aber er hat geschrieben, dass er ausgebucht ist und keine Pferde bzw. Guides zur Verfügung hat. Trotzdem machen wir und auf den Weg, der nicht ganz so einfach ist. Die (abenteuerliche) Holzbrücke zu Mathias Farm hat nur eine Durchfahrtshöhe von 2,4m. Der Bus hat aber 2,7m.
So müssen wir einen kleinen Umweg fahren. Wir treffen Mathias und es dauert nicht lange ihn zu überzeugen eine Tour für uns zu organisieren. Der Wetterbericht prognostiziert nur zwei brauchbare Tage, so müssen wir schon am nächsten Tag losreiten. Mathias sitzt den ganzen Abend am Telefon um Guide, Pferdetransport und Cowboyhut zu organisieren. Wegen des Sonntag Abends, an dem sein Personal frei hat, muss er nebenbei auch noch die Ausrüstung vorbereiten und packen. Schatten beimTrailride Chile Auch die Auswahl der passenden Pferde steht noch am Abendprogramm. Es schien fast unmöglich, aber Montag früh stand alles bereit, Pferde, Ausrüstung, LKW, Luis der Gaucho und Anna, der Guide, allerdings ein wenig gezeichnet von den Caipirinha’s des Vorabends. So ziehen wir los, zu einer 3-Tagestour in den Nationalpark Villarica, einem Vulkangebiet bei Pucon. Fotoshooting auf dem Trailride ChileÜber die Tour selbst gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, die Bilder, so glaube ich, sprechen für sich. Wanderreiten durch die faszinierende Vulkanlandschaft Pucons, mit Schneefeldern, Vulkanen, Hochgebirgsseen, unberührten Urwäldern, über steile, steinige Anstiege, durch Flüsse, über Schneefelder und auf Vulkansand, entlang von malerischen Seen galoppieren. Was kann man da noch sagen bzw. erwarten. Vielleicht einen Pisco Sour als Aperitiv zum Lomo Liso vom Lagerfeuer.
Aber selbst diesen gab es, Mathias hat ihn uns emine Flasche eingepackt und Pepe das brave zuverlässige Packpferd hat ihn bis zum Übernachtungsplatz am Lago Azul (Blauer See) getragen. Der Wetterbericht, den Mathias vor dem Abritt eingeholt hat, hat für den letzten Tag Schlechtwetter bzw. Regen prognostiziert. Oft hat der Wetterbericht nicht gestimmt, aber diesmal sollte er Recht behalten. Bambus gestrüp auf unserm Ritt durch die AndenSchon in der Nacht hat es zu Stürmen und Regnen begonnen. Das war so lange kein Problem als wir im Zelt bzw. im warmen Schlafsack waren. Aber wehe, man steckt seine Nase nach draußen in den Wind. Da wurde es richtig ungemütlich, die romantische Bergwelt hat sich in eine lebensfeindliche Wildnis verwandelt. Der Wind, so kräftig, dass man mühe hat aufrecht zu stehen, dazu Eisregen. Es hilft aber alles nichts, wir müssen zurück ins Tal. So verstauen wir die Zelte notdürftig in die Packsäcke und satteln die Pferde und reiten los. Die Pferde sind solche Bedingungen offenbar gewohnt, und gehen zwar ein wenig unwillig, aber brav vorwärts. Stake Windböen, mit stechendem Eisregen lassen sie aber manchmal erschrecken und erfordern einen Reiter, der entsprechend Sicherheit vermittelt, um sie am Durchgehen zu hindern. Das ist angesichts der eingefrohrenen Finger nicht so einfach. Es ist Tier, Mensch und Ausrüstung gefordert. So bieten die Ponchos recht guten Schutz gegen Regen, aber durch den starken Wind werden die Ponchos immer wieder hochgeblasen und verlieren damit ihre schützende Wirkung. Auch die Hüte sind nur bedingt einsetzbar, weil der Wind sie schlicht und einfach vom Kopf reißt. Luis im im NP VillarricaSo sind wir froh nach mehr als 3 Stunden die schützende Hütte von argentinischen Bauern zu erreichen, die uns vor dem Ofen Unterschlupf geben und uns mit Tee wärmen. Angesichts dieser Beschreibung denkt man sich wohl warum tut man sich das an, warum nimmt man dieses Risiko in Kauf. Dazu fallen mir die Worte von Urs Winter, einem erfahrenen weißbärtigen Schweizer ein, der im Rahmen eines Lawinen- Seminares gesagt hat. Ein Teil der Faszination am Alpinsport wie Schitouren- gehen oder Bergtouren – Wanderreiten zählt da wohl auch dazu – ist das Leben mit dem Risiko.
Er sagte, wenn man das nicht möchte, so muss man fischen gehen, aber an einem ruhigen Gewässer. Ich denke oft an seine Worte, und meine er hat Recht, und auch damit dass er sagt, dass man dieses Risiko entsprechend minimieren kann. So ist es auch auf dieser Tour. Perfekte Ausrüstung, gut trainierte Pferde und Luis, der erfahrene, souveräne Guide bringen uns sicher zurück, auch unter schwierigen Bedingungen, wie sie in den Bergen eben vorkommen können.Schneefeld auf dem Ritt im NP Villarrica,  ChileZur Reittour gibt’s auch noch eine soziologische Betrachtung. Mathias hat mir erzählt dass er damit begonnen hat seine Reittouren im Rahmen von Teamentwicklungs- Schulungen, z.B. Leadership – Seminaren anzubieten – jedenfalls vor der Wirtschaftskrise. Das besondere daran ist, dass es in der Pferdeherde ähnliche Rollen gibt wie in menschlichen Teams, und es auch vergleichbare Verhaltensmuster gibt. So ist ein wichtiger Faktor bei den Pferdetouren, dass der Reiter zum Pferd passt, dass wie man so schön sagt: „Die Chemie passt“. Dabei ist zu beobachten, dass häufig Pferd und Reiter die gleiche Rolle in der Gruppe übernehmen.
Nachdem es offenbar Analogien zwischen dem tierischen Verhalten von Pferden und menschlichen Mustern gibt, so ist folgende Beobachtung von Interesse: Beim Wanderreiten ergibt sich eine Reihenfolge in der geritten wird. Früher oder später reitet man in der Reihenfolge, entsprechend der Rangordnung der Herde, das Leittier vorne. Interessant daran ist die Beobachtung wie das Leittier seinen Rang verteidigt. Es benutzt zwei Strategien. Wenn ein anderes Pferd zu überholen beginnt, so erhöht es das Tempo und wenn das nicht funktioniert, beginnt das Leittier den Konkurrenten zu beißen. Das sind unbestritten Muster, die wir auch aus der menschlichen Gesellschaft kennen. Dazu passt auch die Beobachtung, dass wenn die Rangordnung in der Herde nicht stimme, z.B. das Leittier als letzter geht, dann sind die vorne gehenden Tiere nervös und unruhig. Entspanntes Reiten ist erst dann wieder möglich, wenn die Rangordnung wieder hergestellt ist. Galopp,  erster Tag des TrailrittDiesen Bericht schreibe ich erst jetzt fast zwei Wochen nach der Tour. Auch und nicht zuletzt unter dem Eindruck der Erdbebenkatastrophe, die weite Teile Südchiles erschüttert hat. Das Epizentrum mit einer unglaublichen Stärke von 8,8 lag in der Nähe von Conception, etwa 500km von Pucon entfernt. In Chile sind Erdbeben nichts Ungewöhnliches, sie gehören hier praktisch zum Alltag, man ist auf Beben vorbereitet und auch die Häuser sind entsprechend konstruiert. Aber ein Beben dieser Stärke ist selbst für die sichersten Bauwerke nicht bewältigbar. So ist Conception praktisch total zerstört und auch in weiter entfernten Orten wie Pucon richtet das Beben schwere Schäden an. Zeltplatz erster Tag des Reit TrailsBrücken über die ich noch vor kurzem gefahren bin, sind eingestürzt, Straßen, die ich benutzt habe sind aufgebrochen, Menschen, denen ich begegnet bin, sind obdachlos. Es kaum fassbar und stimmt nachdenklich wie wenig nötig ist um aus einem paradiesisch wirkendem Land eine Katastrophengenregion zu machen. Ich selbst bin wegen des Schlechtwetters unmittelbar nach der Reittour bzw. nachdem ich Christine zum Flughafen in Temuco gebracht habe, wieder in Richtung Iquique aufgebrochen und damit der Katastrophe entkommen.